Für Amir Kassaei sind Menschen mit Burnout vermutlich einfach nur Luschen. Schlaf ist was für Verlierer und Freizeit was für Amateure.
Was mich am jüngsten Interview mit Amir Kassaei (Kreativchef DDB) wirklich viel mehr nervt als die prahlerische Lästerei eines Vollblutwerbers über seine eigene Branche – der mittlerweile übrigens genug Geld verdient haben dürfte um jederzeit risikolos aus diesem schmutzigen und inhaltslosen Gewerbe aussteigen zu können- ist das Rollenbild des leistungsstarken Workaholic das er da so stolz und alternativlos in die Welt hinausbrüllt.
Wer steif und fest behauptet es besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen zeitlicher Präsenz im Office und Produktivität und Kreativität, der ist m.E. ein Workaholic, der auf Suche nach Co-Abhängigen ist um seine eigene Sucht zu legitimieren. Was nicht weiter schlimm wäre, wenn es nicht zig andere Menschen in unmittelbarer Umgebung berühren und bedrohen würde. Als Führungskraft, gerade in einer Branche die Kreativität und Produktivität liefern muss, ist so eine Haltung pures Gift für eine Unternehmenskultur. Amir Kassaei führt den Schwund an Nachwuchs einzig und allein auf die turbokapitalistische Inhaltsleere von Werbung zurück, dass er selbst und seine unmittelbare Kultur, vollkommen durchdrungen ist vom Mem der bedingungslosen Leistung und einer Kommunikationskultur des Zynismus scheint ihm weniger bewusst zu sein.
Chronische Phase: Der Süchtige übernimmt immer mehr Aufgaben, belastet sich mit allem, was es zu tun gibt. In seinem Perfektionismus hält er sich stets für die ideale Person für die Bearbeitung. Das gesamte Privatleben hat keine Bedeutung mehr. Schwere Depressionen, Angstzustände und Herz-Kreislauf-Störungen können auftreten.
Ja, man kann einen Rennwagen eine Zeit lang im roten Bereich fahren. Nur irgendwann ist er halt im Arsch. Gut, man kann sich dann hinstellen und sagen: Hey, ihr seid alles Luschen. Ihr seid nicht so hart, nicht so stark und nicht ernsthaft genug. So wie ich. Seht her. Ich sitze 18 Stunden im Büro und ich muss einfliegen, wenn ihr es wieder nicht gebacken kriegt. Was sendet der Mann da an seinen Nachwuchs aus? Das ist ja tragischer als ein Familienunternehmer der mit 90 Jahren sein Geschäft nicht an die folgenden Generationen abgeben kann, weil er einfach kein Vertrauen hat und sich selbst völlig überschätzt.
Und am Ende. Wenn dann der große Mann doch am Boden liegt?
Endphase: Krankhafte Folgeerscheinungen treten auf. Es kommt zu einem massiven Knick in der Leistungsfähigkeit. Workaholics gehen oft schon Mitte 50 in Rente oder sterben sehr früh.
Nun dann wird er vermutlich wieder durch die Talkshows tingeln. Mit einem neuen Buch vielleicht, nach der großen Auszeit. Dem Sabbatical. Und dann wird er wieder missionieren und kritisieren. Wie die eigene Branche ihn kaputt gemacht hat und innerlich aussaugte. Immer stets im Glauben man selbst habe mit der ganzen Sache überhaupt nichts zu tun gehabt und man nach wie vor der einzige Mensch auf Erden ist der weiß was richtig ist.
0 Comments