Patrick Breitenbach Weblog

Digitaler Alarm im analogen Möbelmarkt

shutterstock_265388723

Hach, was waren das noch für schöne fette Zeiten, als ich für einen großen Möbelhändler deren Werbematerialen und Kampagnen basteln durfte. Dem Kunden ging es gut, der Agentur ging es gut, alle waren happy und zufrieden. Weder Internet noch schwedische Möbelhändler mit exzellentem Storytelling waren in bedrohlicher Nähe und so konnte man wöchentlich auf die neuen Frequenz- und Abverkaufszahlen mit Champagner und quadratisch geschnittenen Lachshäppchen anstoßen.

Kurz bevor ich diese Handelswelt, damals dann schon als Dienstleister, verließ,  gab es dann schon etwas mehr von diesem komischen Internet (aber noch kein E-Commerce im Möbelhandel). Aber mehr als eine „Homepage“ musste es nicht sein. Aber es kündigte sich damals dann doch mit Pauken und Trompeten dieser  verrückte Schwede an, der doch tatsächlich in der bisher klar dominierten Stadt, sein Revier im Form eines gelben Småland markieren wollte. Und plötzlich schreckten alle auf. Die Rabbattschleuder wurde heftig angekurbelt und die Schweinebauchseiten glänzten fortan nur so mit fetten rot-weißen Prozentbannern.

Der alte Schwede kam und ich konnte leider nicht mehr hautnah verfolgen wie sich die Zahlen entwickelten. Aber das Möbelhaus – als Teil einer Kette – gibt es immer noch. Es wurde für viel Geld neu herausgeputzt und scheint sich jedenfalls irgendwie immer noch zu rentieren. Doch heute schlägt das Möbelhaus erneut die Nachrichten auf und liest kreidebleich: Der Online-Möbelhandel kommt. Das nächste Gespenst kündigt sich lautstark an, auch in meiner kleinen Heimatstadt.

Laut einer aktuellen Studie des Kölner Handelsforschungsinstituts ECC (E-Commerce Center) droht jedem dritten(!) Möbelcenter bis zum Jahr 2020 das Aus. Zwar wirkt derzeit die größte Bedrohung der Online-Händler noch mit 6% Umsatz relativ winzig, doch das Institut (das diese Studie in Zusammenarbeit mit einer Management Consulting Firma zum Thema „digitale Transformation“ erarbeitet hat. *Zwinker Zwinker*) prognostiziert dem Online-Handel im Bereich Möbel einen satten Umsatz von 14 Mrd. Euro bis zum Jahr 2020. Insgesamt beträgt der Umsatz derzeit laut Branchenverband 32,6 Mrd. Euro.

Doch die Umsatzzahlen alleine sind nicht die wirkliche Bedrohung. Man muss sich dem Problem zwischen den Zeilen nähern. Ich identifiziere drei maßgebliche Herausforderungen:

1. Kosten Kosten Kosten
2. Fehlende exklusive Eigenmarken
3. Fehlender Wissens- und Datenvorsprung im Bereich Digitales

1. Kosten Kosten Kosten
Der Betrieb eines klassischen Möbelhauses kostet unfassbar viel Geld: Der Strom für die Beleuchtung und Belüftung, überhaupt die ganzen Flächen für Showroom UND Lager, das Personal, welches an beiden Fronten verfügbar sein muss, Techniker zur Wartung, Auf- und Abbau der Ausstellungsstücke, der Gastrobereich, jede Menge Entertainmentfirlefanz um Kunden ins Haus zu locken und natürlich ein brachialer klassischer Marketing-Etat, der bisher in schlecht messbare Schweinebauchanzeigen, Hochglanz-Prospekte, Out-Of-Home-Kampagnen, Radio- und vielleicht sogar Fernseh-Spots floss. Das ist ein unfassbar großer Kostenklumpen. Aber offenbar hat es sich in den Jahren vor dem Internet eindeutig rentiert und zwar für alle Beteiligten. Es hat jede Menge Arbeitsplätze geschaffen. Und was tun nun die Online-Bürschchen a la Samwers in ihrer Raketenmentalität? Sie disruptieren den Markt. Und zwar ordentlich. Sie sind Kopier- und Effizienzraketenwissenschaftler. Ihre Kosten sind so dermaßen niedrig, ihre Werbeausgaben so unfassbar effizient, dass sie bereits mit jedem einzelnen verkauften Möbelstück vermutlich richtig gut verdienen. Sie müssen keine Möbel bauen oder mit Herstellern sprechen. Sie brauchen keinen aufwendig inszenierten Showroom, zum Teil noch nicht mal ein eigenes Lager und müssen die Möbelstücke immer nur einen kleinen Tick billiger anpreisen als die stationäre Konkurrenz. Sie können rein auf Online-Werbung und Vertrieb setzen. Das ist nicht nur billiger, sondern vor allem effizienter weil messbarer und sekündlich optimierbar. Und während sie verdienen, verlieren diejenigen, elche die eigentliche Arbeit für sie machen. Wer bei diesem neuen Spiel langfristig gewinnen wird dürfte wohl klar sein: Eigentlich kaum jemand.

2. Fehlende exklusive Eigenmarken
Der Möbelriese aus Schweden ist nach wie vor eine ernstzunehmende Benchmark. Sie haben das Thema Digitalisierung nicht so extrem vorangetrieben, aber eben auch nicht komplett verpennt. Sie scheinen da eine gewisse Balance entwickelt zu haben. Aber der immense Vorteil dieses Unternehmen ist der Ansatz ihrer Eigenmarken. Denn all die Sachen, die ich dort bekomme, bekomme ich eben ausschließlich dort und nicht auf Amazon, eBay oder Möbel24hastenichtgesehen. Diese Exklusivität wirkt wie eine Art Schutzfilm (solange die Eigenmarken attraktiv bleiben). Zwar erzeugt das auch jede Menge anderer Probleme und vor allem Kosten (wer Eigenmarken inszeniert kann die kaum nur online inszenieren), aber vor einer immensen Bedrohung durch online vertickende Möbelseiten bleibt man zunächst einmal gefeit. Ein Schachzug, der sich gerade im digitalen Wandel als Vorteil erweisen wird, was es für den Rest der Möbelhändler nicht einfacher machen wird, denn unter dem „jedes dritte Möbelhaus droht eine Schließung“ wird dann eben eher nicht etwas gelb-blaues dabei sein.

3. Fehlender Wissens- und Datenvorsprung im Bereich Digitales
Leider haben die fetten Jahre die Möbelhändler alter Schule eben auch selbstgefällig und träge haben werden lassen. Digitalisierung wurde entweder immer weggelächelt (Dieses Internet setzt sich eh nicht durch) oder wurde immer mit Kannibalisierung gleichgesetzt und somit kategorisch abgelehnt. Gleiches Problem haben übrigens derzeit andere stationärslastige Branchen wie Shoppingmalls oder Buchhändler. Nun hat man jedoch ein immensen Wissenstransfer verpasst. Die großen Internetplayer verfügen nicht nur über jede Menge Know How im digitalen Marketing, sie verfügen zugleich überunfassbar viele Kundendaten und ein ausgeklügeltes CRM-System das nicht auf Papier oder Excel basiert. Und niemand hindert die neuen Sprösslinge daran die alten Bäume zu verdrängen und später einmal selbst Möbelhäuser auf den Ruinen der alten Eichen Rustikal zu bauen. So wie derzeit auch das Gerücht um aufpoppende Amazon-Buchläden die Runde macht, weil es einfach nicht abwegig und eher logisch erscheint. Ich bezweifle, dass dieser „digitale Vorsprung“ überhaupt noch aufgeholt werden kann. Dazu bedarf es eines rigorosen Change und eines absolutes Umwuchtens und einer radikale Neuausrichtung der eigenen analogen Denke und Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, Marken und Narrative. Denn diese Online-Händler haben eine große Schwäche: Sie sind zunächst nur Parasiten und verfügen in der Anfangsphase über wenig Spielraum in Form von Kapital und Beziehungen. Sie leben von Geschäften der Anderen. Sie selbst sind beliebig und austauschbar, sie haben keine Vision oder ein Werteverständnis. Sie kennen nur ein Prinzip: Cash einfahren so billig wie möglich. Diese Schwäche könnte man nutzen – sofern man es denn will.

0 Comments

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert