Patrick Breitenbach Weblog

Ich like also bin ich Publizist

Was bedeutet „digitales Publizieren“?

Nun, ich bin der festen Überzeugung, dass bereits ein ganz kleiner “Like”, ein Akt der Publikation ist – zugegeben nicht besonders gehaltvoll und originär – aber dennoch eine Art der Veröffentlichung und damit ein wichtiger Baustein in der Summe der gesellschaftlichen Kommunikation mit den entsprechenden Einflüssen auf unser Zusammenleben und der permanenten Konstruktion unser aller Wirklichkeit.

Die klassischen Gatekeeper (also die Entscheider darüber was ist relevant, was hat einen Nachrichtenwert, was ist wichtig oder unwichtig, kurzum was gehört zur Wirklichkeit) im Journalismus verlieren Zug um Zug ihre herausragende Macht-Stellung. Klar, sie sind immer noch extrem wichtige Spieler und Katalysatoren von Aufmerksamkeit, aber sie sind es eben nicht mehr zwangsläufig ganz alleine. Es findet in Ansätzen eine Verflüssigung von tradierten Herrschaftsstrukturen über Wissen und Information statt – soweit jedenfalls in der technologischen Theorie und natürlich geschieht das ganze noch recht langsam und befindet sich erst ganz am Anfang. Aber die Weichen sind bereits jetzt gestellt – sofern wir nicht durch neue Internet-Regularien (Netzneutralität, Überwachung etc.) zu etwas anderem diszipliniert werden.

Doch zugleich bringt diese Form der niederschwelligen und dezentralisierten Publikation natürlich umgehend neue Probleme und Herausforderungen mit sich und auch ein Stück weit ergibt sich aus so einer neu gewonnenen Freiheit fast schon automatisch auch eine neue Art von Verantwortung. Eine Ethik des Publizieren, die natürlich noch so gar nicht im Bewusstsein der Menschen verankert ist. Wozu auch, man drückt ja nur ein läppisches „Like“. Das man aber in Summe mit allen Likes Themen auf die allgemeine Agenda hebt, die vielleicht Unsinn sind, Ressentiments schüren oder eine Gesellschaft in kleinen Teilen beschädigen können, das dürfte den wenigsten bewusst sein, das ist aber genau das was geschieht.

„Like“ ich Unsinn so, dass meine vernetzten Mitleser das mitbekommen habe ich automatisch einen Einfluss auf sie. Wenn vielleicht minimal, aber ich zwinge ihnen ein Thema auf, über das sie überhaupt erst nachdenken müssen. Damit befinden wir uns im Handel und Wettstreit von Ideen, Ideologien und eben auch Ansichten, die andere Menschen ausgrenzen oder in ihrer Würde herabstufen. Der Hass in den sozialen Netzwerken kann sich beispielsweise nur durch diese Art von niederschwelliger Publikation ausbreiten. Jeder kann sehr einfach per Like den zum Ausdruck gebrachten Hass positiv bestärken. Ziemlich simple Verhaltensökonomie, zumal der Kern von Zivilisierung eine klare Ausgrenzung und Abgrenzung zu Gewalt in sich trägt. Hier wird sie jedoch verstärkt, vor allem weil es den Abgrenzungsmechanismus, den „Don’t like“ noch gar nicht gibt. Auf der anderen Seite muss es ja nicht immer der Mechanismus des „Dagegen“ sein, denn die gleiche Mechanik funktioniert auch bei Dingen, die wir uns vielleicht eher wünschen würden. Auch Empathie, Sympathie, Liebe oder Solidarität ist vom Grundprinzip her „shareable“. Und sie wird ja auch geteilt.

Diese neue Dynamik der digitalen Publikation gilt es in Zukunft näher zu erforschen und sich vor allem bewusst zu machen. Jeder ist Publizist, sobald er sich öffentlich kund tut. Jeder konstruiert ein Teil unserer gemeinsamen Wirklichkeit. Mal bedeutend, mal unbedeutend – in Summe aber nie ohne Belang.

Auf der re:publica wurde ich übrigens vom Eco Audiomagazin zum Thema „Digitale Publikation“ aber auch zur Wissensvermittlung von speziell Podcasts befragt. Hier die Sendung, mit vielen weiteren interessanten Stimmen:

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