Liebe Marketingentscheiderin,
lieber Marketingentscheider,
es tut mir wirklich in der Seele weh, wenn ich das hier über euch lesen muss.
Viele von euch fühlen sich offenbar ganz allein, verlassen, unsicher und überfordert. Kein Wunder. Ich kann das sehr gut nachvollziehen. Die Welt offenbart sich als zunehmend komplexer, die digitalen Störgeräusche nehmen zu, die scheinbare Kontrolle über Marke und Kunde, also das was ihr einmal in ganz kurzer Zeit – zum Teil vor ganz langer Zeit – über Marketing in eurem Studium oder in den letzten Jahren in der Praxis gelernt habt, entpuppt sich als Illusion. Euer derzeitiges Verfügungswissen reicht nicht annähernd aus um den tagtäglich fortschreitenden und nie enden wollenden Wandel einigermaßen zu meistern – jedenfalls ganz sicher nicht allein. Dazu der unfassbare Druck von allen Seiten. Der Druck der Konkurrenz, der Fachmedien, der Horde an Beratern, die euch in Angst und Schrecken versetzen, weil ihr alles angeblich verpennt habt.
All das lässt viele von euch in einem tückischen Teufelskreis rotieren. Ihr dreht Runde um Runde in der Überforderungsschleife. Denn sobald das Gefühl der Überforderung auftaucht, reagieren viele Menschen mit einer für sie sinnvoll erscheinenden Lösungsstrategie: Cocooning.
Wer sich überfordert fühlt, zieht sich also oft und gerne in das eigene schnuckelige Schneckenhaus zurück. Viele schließen dann erst mal die Bürotür und riegeln ihr Silo mit sieben Siegeln und Schlössern schön hermetisch ab. Bloß raus aus diesem unüberblickbaren Chaos. Bloß keinen der blinkenden Knöpfe der immer größer werdenden Schalttafel drücken. Keine Last der Verantwortung tragen, die man weder zu beherrschen glaubt, noch deren Auswirkungen man richtig einzuschätzen weiß. Lass es blinken.
Ja, diese Strategie entlastet kurzfristig, erzeugt aber langfristig jede Menge neuer Probleme, denn diese Verhaltensweise ist nicht nur selbstverstärkend, sie ist zudem hochgradig ansteckend und infiziert sehr leicht den Rest einer Organisation. So nimmt die kollektive Flucht vor der allgemeinen Überforderung oftmals ihren Lauf.
Daher empfehle ich eine eine andere Strategie. Einen Bruch mit dem Muster. Ihr braucht – um es im Digitalsprech zu formulieren – den Mut zu mehr #followerpower. Dieses Hashtag auf Twitter entstand bereits vor sehr vielen Jahren und ist einfach nur ein deutliches Signal an den großen Schwarm da draußen, dass man Hilfe, Antworten, Unterstützung und Entscheidungen von anderen benötigt. Und stellt euch das mal vor: Kaum jemand im Netz findet dieses Verhalten lächerlich – ganz im Gegenteil. Man erhält schnelle und vielfältige Antworten – allein dadurch, weil die Antwortgeber im öffentlichen Raum dadurch ihre Kompetenz unter Beweis stellen können. Ein wunderbares Win-Win Szenario.
Zurück zu eurer Situation in euren Unternehmen. Auch hier benötigt ihr dringend wieder eine Grundhaltung zum Win-Win. Dabei helfen könnten euch drei Szenarien, die sich am uralten Management-Credo „Love it“, „Change it“ or „Leave it“ orientieren:
1. Ich liebe mein Silo, bis dass der Tod uns scheidet
Manchmal geht es Patienten besser, wenn sie sich mit ihren Krankheiten anfreunden. Daran ist nichts verwerfliches. Das verschafft Linderung. Wenn es euch persönlich damit besser geht, liebt euer Silo. Richtet es euch so bequem wie möglich ein. Entwickelt weitere raffinierte Strategien der Abschottung. Vielleicht hört der Wandel da draußen ja irgendwann mal auf. Viel Glück dabei!
2. Nix wie raus aus dem Silo
Zu dieser Strategie gehört wirklich eine gehörige Portion Mut und jede Menge Überwindung. Denn als erstes müsst ihr die selbst erbauten Verriegelungen eurer Silos verstehen und dann mit einem Brecheisen knacken. Fangt bei euch selbst und eurem Team an. Das ist euer unmittelbarer Einflussbereich. Alles andere überfordert unnötig. Hinterfragt also kritisch euer eigenes Silo-Verhalten und brecht es auf. Geht raus. Raus. Raus. Raus. Geht an die frische Luft oder auf Wanderschaft. Metaphorisch oder wortwörtlich. Vielleicht sogar mit einem Menschen, der euch beim Wandern inspiriert. Rausgehen! Das ist euer neues Mantra. Mit anderen Menschen da draußen sprechen, sich mit anderen Silobefreiten austauschen und sich natürlich mit ihnen verbünden. Egal ob im oder außerhalb eures bestehenden Siloparks. Lasst die Kollegen ruhig neidisch gucken. Die gucken immer so – egal was ihr gerade macht. Es gehört zu ihrer Silostrategie.
3. Nix wie raus aus dem Silo-Park!
Wenn alles nichts hilft und ihr weiterhin unter eurem Silo leidet: Verlasst endlich die Einöde des Siloparks. Doch bedenkt: Egal wo ihr nun hingeht, es wird um euch herum leider mindestens genauso komplex bleiben wie bisher. Aber! Es gibt mittlerweile zahlreiche Unternehmen und Organisationsformen, welche die große Herausforderung dieser komplexen Welt längst erkannt haben und ihren eigenen Organismus, ihre eigene Unternehmenskultur, so neu justieren, dass sie mit diesen Umweltbedingungen ganz anders interagieren können. Sie sind vielleicht noch nicht ganz so groß, so schillernd und so scheinbar sicher wie euer Silopark, aber sie wachsen und strahlen jede Menge Zuversicht aus. Es ist ein echtes Vergnügen darin zu arbeiten. Solche Organisationen fördern und fordern interdisziplinäre Zusammenarbeit. Sie ermöglichen grenzübergreifendes Co-Working mit externen zeitlich limitierten Beratern und stetig geschulten Fachkräften im eigenen Haus oder arbeiten sogar mit ihren eigenen Kunden. Diese Organisationen legen größten Wert auf kontinuierliches Lernen und einer auf „Trial & Error“ basierten Fehlerkultur. Führung wird darin genauso teilbar gedacht wie das Wissens- und Kompetenzmanagement. Kurzum: Es sind einfach nur neue netzwerkartige Strukturen, die sich der neuen netzwerkartigen Umwelt bestmöglich anpassen. Werdet ein Teil davon.
Egal, wie ihr euch entscheidet. Zum Aufbruch eurer ganz eigenen Heldenreise gebe ich euch als leicht ergrauter digitaler Mentor noch folgende Abschiedsworte mit auf den Weg:
Habt Mut!
Riskiert was!
Sucht euch Verbündete!
Fragenstellen oder Fehlermachen ist keine Schande.
Liebe Grüße, live long and prosper
Patrick Breitenbach
PS: Wenn ihr von eurer Reise zurückkehrt, dann schildert mir doch eure Geschichte. Teilt sie mit mir. Gebt mir eure #Followerpower. Ich könnte sie für mein Leadership Storytelling Workshop vermutlich ganz gut gebrauchen.
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